Nutzung, Sattel, Reitergewicht, Reitweise
Nutzung
Sobald ein Pferd z.B. zum Reiten, zum Fahren, für landwirtschaftliche Arbeiten, für die Bodenarbeit oder für das Longieren herangezogen wird, kann von einer Nutzung gesprochen werden. Die Nutzung sollte sich nach der Bemuskelung und dem Trainingszustand des Pferdes richten.
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Beachte → Auch Beistellpferden und –ponys sowie älteren Pferden sollte man eine dem Leistungsvermögen entsprechende Beschäftigung zukommen lassen (z.B. Spazieren, Handpferdreiten, Bodenarbeit oder Longieren). Orania war bis ins hohe Alter auf unseren Spaziergängen immer mit Schwung und Elan dabei… |
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Sattel
Der Sattel sollte das Reitergewicht optimal auf dem Pferderücken verteilen und gleichmässig aufliegen. Dabei sollte er die seitliche Biegung und das Aufwölben der Brustwirbelsäule zulassen sowie das Pferd in seiner Bewegung insgesamt nicht behindern. Der Sattel sollte idealerweise eine grösstmögliche Auflagefläche aufweisen und dabei weder die Bewegung des Schulterblattes behindern noch auf die Querfortsätze der Lendenwirbelsäule drücken. Er muss genügend Widerristfreiheit aufweisen und die Kammerweite bzw. der Wirbelkanal muss ausreichend breit sein, damit die Beweglichkeit der Brustwirbel bzw. der Dornfortsätze gewährleistet ist.
Ein Sattel muss bezüglich seiner Passform von einer Fachperson überprüft und ggf. angepasst werden.
Da sich die Sattellage durch Gewichtszunahme oder -abnahme und durch Muskelaufbau oder -abbau stetig verändert, ist die Passform des Sattels in bestimmten Abständen überprüfen zu lassen.
Passt der Sattel nicht, können z.B. folgenden Symptome festgestellt werden:
Die Sattellage weisst druckdolente (schmerzhafte) Stellen oder Druckstellen (weisse Haare) auf. Das Pferd zeigt Unbehagen beim Putzen oder wehrt sich beim satteln (Sattel- oder Gurtzwang). Einzelne Muskelbereiche sind atrophiert (Kuhlen) oder die Sattellage wirkt insgesamt „eingesunken“ (atrophierte Sattellage). Das Pferd läuft unter dem Reiter steif bzw. der Rücken schwingt nicht mit.
→ Durch einen nicht passenden Sattel bzw. durch punktuellen Druck, kann die Muskulatur langfristig Schaden nehmen und es können sogar einzelnen Muskelfasern dauerhaft zerstört werden (Kuhlen in der Sattellage bzw. atrophierte Muskeln). Weiter liegt der Sattel (und der Sattelgurt) auf verschiedenen Akupunkturpunkten bzw. Meridianen und kann so zu Energieflussstörungen führen.
→ Beim Reiten ohne Sattel ist zu bedenken, dass im Bereich der Sitzbeinhöcker (des Reiters) ein punktuell hoher Druck auf die Rückenmuskulatur des Pferdes entsteht. Auch dies kann zu Muskelverspannungen oder zu Blockierungen im Bewegungsapparat führen.
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Im Jahr 1998 bin ich auf den Wanderreitsattel „Evolution“ der Sattlerei Sommer aufmerksam geworden. Die Vorteile: grosse Auflagefläche („Trachtensattel“) mit breiten, weichen Sattelkissen, grosse Wirbelsäulenfreiheit, flexibler Sattelbaum und dabei ein relativ leichtes Gewicht (7.8kg), waren für mich Grund genug, für Orania einen solchen anpassen zu lassen. Das Kernstück des Sattels, der flexible Sattelbaum, schwingt in den Bewegungen des Pferderückens mit und kann zudem jederzeit an veränderte Bedingungen angepasst werden. Schlussendlich war dieser Sattel während mehr als 20 Jahren unser „wichtigstes Ausrüstungsstück“ und ich hatte es nie bereut. |
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Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde… |
Reitergewicht
Sobald der/die ReiterIn sich aufs Pferd setzt, wird der Rücken nach unten gedrückt.
→ Deshalb ist es enorm wichtig, dass das Pferd von seinem Gebäude, seiner Grösse und Konstitution sowie von seinem Trainingszustand her zum Gesamtgewicht der Belastung passt (Reiter, Ausrüstung und Sattel). Andernfalls kann sich kurz- oder langfristig eine Trageerschöpfung einstellen.
In der Schweiz gibt es keine gesetzlich oder reglementarisch festgelegte Gewichtslimiten. Als Faustregel wird derzeit ein Richtwert von 15 % angegeben (Gewichtsverhältnis Mensch zu Pferd). Dies entspricht rund 1/7 des Pferdegewichtes.
Reitweise
Vermutlich gibt es in der Pferdewelt kein anderes Thema, bei welchem die Meinungen derart weit auseinander gehen wie bei der Frage: „Wie soll ein Pferd geritten und gymnastiziert werden?“ und "welches ist die pferdeschonendste Reitweise?"
Grundsätzlich gilt: Steigt der/die ReiterIn aufs Pferd, werden dadurch die „Rumpf-tragenden“ Muskeln mehr belastet. Um das zusätzliche Gewicht tragen zu können, müssen sich diese vermehrt anspannen.
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Die Reitweise und die Ausbildung des Pferdes sollten deshalb u.a. darauf abzielen, die rumpftragende Muskulatur zu stärken um die Tragkraft zu erhöhen. Durch regelmässiges und adäquates Training (mehrmals pro Woche) ist Rubin in der Lage, mein Gewicht und die Ausrüstung zu tragen ohne dabei Schaden zu nehmen. |
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Beachte → Ist die Belastung beim Reiten jeweils zu gross oder dauert diese zu lange an ("Dauerbelastung"), werden die Muskeln überbelastet und nehmen Schaden. Mit den Jahren kann sich dann eine Trageerschöpfung einstellen. Dies ist u.a. an einer durchhängenden Bauch- und Rückenlinie sichtbar.
Eine einfache Massnahme, um einer zu lange dauernden Belastung entgegen zu wirken, ist es, zwischendurch einfach mal abzusteigen und einen Moment lang neben dem Pferd her zu laufen oder mit ihm etwas Bodenarbeit zu machen.
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Gutes Training sollte immer darauf abzielen, das Pferd bis ins hohe Alter beweglich und gesund zu erhalten. Um das Pferd gezielt zu gymnastizieren und die Muskulatur effektiv zu lösen, bietet sich zum Beispiel das Longieren am Kappzaum an. Dabei sollte das Pferd freudig und motiviert vorwärts gehen (können). |
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Vorsicht: Muss das Pferd während dem Training bzw. während dem Reiten über einen längeren Zeitraum eine bestimmte Haltung einnehmen (z.B. den Kopf herunter nehmen und den Hals beugen oder den Kopf bzw. den Hals zur Seite hin biegen), können Muskelverkrampfungen entstehen.
Denn: bleiben der Kopf und der Hals für eine längere Zeit in einer bestimmten Position, ist dies für die entsprechenden Muskelgruppen sehr anstrengend. Insbesondere die „Halsstrecker“ werden dabei schnell überdehnt. Deshalb gilt: das Pferd muss sich immer wieder dehnen bzw. „den Hals strecken“ können (= das Gegenteil von Beugen). Achtung: Bei einer starken „Beizäumungshaltung“ können die Halsstrecker gar in einen „Dauerkrampf“ geraten.
→ Aber: die Praxis zeigt, dass auch bei der schonendsten Nutzung während dem Training Muskelverspannungen entstehen können. Ebenso kann die Muskulatur auch einfach nur „vom Ausreiten“ verspannt sein. Weiter können auch Pferde, welche unregelmässig, dafür dann aber lange, geritten werden (Sonntagsreiter) zu Muskelverspannungen neigen. Dies weil sie einer grösseren bzw. ungewohnten Belastung ausgesetzt sind.
→ Wird diesem Prozess nicht entgegengewirkt, wird die Muskulatur mit der Zeit hart und ist nicht mehr weich bzw. nachgiebig und dehnbar. So können Muskelschäden entstehen. Das Pferd wird (mit den Jahren) steif und weist einen steifen Gang auf.
→ Weiter können durch verspannte Muskeln sogenannte Wirbelblockierungen (auch Wirbelblockaden oder Wirbelsäulenblockaden genannt) entstehen. Davon können die Halswirbel, die Brustwirbel und auch die Lendenwirbel betroffen sein. Aber auch das Becken kann betroffen sein: durch einseitig vermehrten Muskelzug bzw. durch einseitig mehr angespannte bzw. verspannte Muskeln kann der Eindruck entstehen, dass das Becken „schief steht“ (auch "schiefes Becken" genannt).
→ Auch scheinbar nebensächlich Dinge wie z.B. das Reiten in höheren Gangarten bzw. schnellerem Tempo auf harten Böden hat einen Einfluss auf den Bewegungsapparat. Durch die hohe Aufprallgeschwindigkeit werden nicht nur die Gelenke, Sehnen und Bänder verstärkt belastet, sondern auch die Muskulatur muss grösseren Kräften standhalten.
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Pferde können nicht sprechen – |
Résumé
Stolz kann jede/r Pferdebesitzer/in sein, wessen Pferd durch die Nutzung, die Reitweise, die Ausrüstung, das Reitergewicht, den Sattel und durch die Zügeleinwirkung in seinem Pferdeleben so wenig Schaden wie möglich nimmt.
Tipp
Genau wie bei den Hufen gilt: um diese Prozesse verfolgen zu können, fotografiert man sein Pferd am besten regelmässig und beobachtet, ob und wie sich die Hals-, die Rücken- und die Bauchlinie, die Sattellage, die Muskulatur und der Gesamtzustand über die Jahre hinweg verändern. So können negative Tendenzen erkannt werden, bevor z.B. konkrete Rückenprobleme entstanden sind.



